Pflegende Angehörige in komplexen Situationen am Lebensende (NFP 67)

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 67 „Lebensende“ untersuchte das Projekt kritische Situationen von Menschen, die zu Hause betreut werden. Zu Beginn stand die Frage im Vordergrund, wie unnötige und ungewollte Spitaleinweisungen kurz vor dem Tod vermieden werden können. Erste Ergebnisse machten jedoch schnell deutlich, dass ein „erfolgreiches“ Pflege-Arrangement nicht von der Verhinderung einer Hospitalisation abhängt, sondern dass die Beurteilung aus Sicht der Angehörigen differenzierter ausfallen muss. Durch die Erweiterung der Bedeutung von „kritischen Situationen“ war es möglich, alles zu erfassen, was aus Sicht der Angehörigen während der Pflege und Betreuung als schwierig und problematisch erlebt wird.

Die einzelnen Forschungsziele waren:

  • herauszufinden, welche Situationen aus Sicht der Angehörigen „kritisch“ sind
  • verschiedene Formen der Entscheidungsfindung und der Bewältigung von kritischen Situationen zu beschreiben und zu verstehen
  • Lücken in der Versorgungslandschaft, fehlende Kompetenzen, ungeeignete Reaktionen der Fachpersonen, etc. zu beschreiben
  • Unterschiede betr. Einstellungen, Erwartungen, Motiven, Werten und Handlungsweisen in verschiedenen Kontexten zu untersuchen
  • den Bedarf an technischer, beratender, wissensvermittelnder, psychologischer und spiritueller Unterstützung zu kennen und entsprechende Instrumente zu entwickeln.

Ausgehend von den Ergebnissen des Forschungsprojektes wurden folgende Empfehlungen formuliert:

  • Um unnötige Hospitalisierungen am Lebensende zu vermeiden und die Angehörigen zu befähigen, mit schwierigen Situationen umzugehen, müssen sie besser auf die Pflege und Betreuung zu Hause vorbereitet werden. Sie benötigen Informationen zum Krankheitsverlauf, zu möglichen Symptomen und zum korrekten Umgang damit, Tipps für die Pflege, Kenntnisse über verfügbare Unterstützungs- und Entlastungsangebote, etc.
  • Situationen am Lebensende sind häufig unberechenbar und unvorhersehbar. Es braucht deshalb Angebote, die flexibel und schnell verfübar sind. In kritischen Situationen muss jederzeit – also auch nachts und am Wochenende – jemand für die Angehörigen erreichbar sein (z.B. über eine 24h-Telefon-Hotline).
  • Pflegende Angehörige benötigen nicht nur nur Unterstützung im medizinischen und pflegerischen Bereich, sondern eine ganzheitliche Versorgung, die auch soziale, psychologische, spirituelle und emotionale Bedürfnisse umfasst.
  • Ein frühzeitiger Einbezug von Palliative Care – auch parallel zu kurativen Behandlungen – und eine Integration der Palliative Care Philosophie in die gesamte Gesundheitsversorgung ist wünschenswert.
  • Weil pflegende Angehörige häufig zu beschäftigt und zu erschöpft sind, um eigene Bedürfnisse überhaupt wahrzunehmen, sollten Entlastungs- und Unterstützungsangebote aktiv angeboten werden.
  • Viele pflegende Angehörige äussern den Wunsch nach einer einzigen Anlaufstelle, die sie jederzeit kontaktieren können, um Fragen zu stellen und die ihnen bei der Organisation der Pflege zu Hause hilft. Insgesamt ist eine bessere Koordination und Kooperation der involvierten Fachpersonen notwendig.
  • Damit pflegende Angehörige die Pflege und Betreuung über längere Zeit gewährleisten können, brauchen sie Auszeiten und Erholung. Entsprechende Angebote müssen finanzierbar und für alle zugänglich sein.
  • Auch Unterstützung im administrativen Bereich bzw. eine Vereinfachung administrativer Prozesse (insb. bei Finanzierungs- und Versischerungsfragen) ist wünschenswert. Die finanzielle Entschädigung für die Betreuung zu Hause sollte verbessert werden.
  • Eine wechselseitige und partnerschaftliche Beziehung zwischen Angehörigen und Fachpersonen, in der die Kompetenzen der Angehörigen anerkannt und geschätzt und in der sie in ihrer Rolle als Partner und Experten unterstützt und gestärkt werden, trägt zu einer optimalen Versorgung von Menschen am Lebensende bei.

Durch dieses Forschungsprojekt konnte wichtiges Grundlagenwissen zur Situationen pflegender Angehöriger in Situationen am Lebensende in der Schweiz erarbeitet werden. Wir sind froh, dass dank dem regelmässigen Austausch mit massgeblichen Akteuren und Organisationen auf kantonaler und nationaler Ebene die oben genannten Empfehlungen in verschiedene Strategiepapiere (z.B. Kantonales Konzept Palliative Care Freiburg) einflossen und damit auch – so ist zu hoffen – die konkrete Versorgungspraxis beeinflussen.